Thema
Die Flüchtlingsfrage „bleibt [die] größte Herausforderung“ für die Bundesregierung, so titelt zumindest eine Pressemitteilung der Bundesregierung am 31. August 2015.[1] Im Jahr 2015 wurden fast 500.000 Asylanträge gestellt, ähnlich viele sind für 2016 erwartet.[2] Diese hohe Anzahl von Geflüchteten stellt unsere Gesellschaft vor immense logistische Herausforderungen. Kurzfristig geht es darum, genügend angemessene Unterkünfte zu finden. Mittel- und langfristig bedarf es der Bekämpfung von Fluchtursachen, der Integration von Geflüchteten, aber auch eines gesamtgesellschaftlichen Diskurses zur Einbindung der BürgerInnen der BRD.
Bei unserer Tagung soll es jedoch nicht um die faktischen Herausforderungen gehen, sondern um die emotionalen. Damit bewegen wir uns – ironischerweise – im Zeitgeist des Problems, welches wir betrachten möchten. |
Der Begriff Postfaktische Politik wurde 2004 von Ralph Keyes geprägt und findet spätestens seit Trump und dem Brexit Einzug in den englischsprachigen Raum. Als im September 2016 Angela Merkel das postfaktische Zeitalter ausrief, eroberte der Begriffe auch die Feuilletons der Bundesrepublik und wurde Bestandteil des gesellschaftlichen Diskurses, der sich Phänomenen wie dem Populismus annähert.
Wir möchten den Begriff der Postfaktischen Politik verstehen und dessen verschiedene Sphären analysieren. Mögliche Operationalisierungen wären hierfür insbesondere die Frage nach der empirischen Detektion von postfaktischen Elementen, wie beispielsweise durch Netzwerkanalysen (zersplittert sich die Debatte um Positionen, die nicht miteinander interagieren?). Oder: Wie funktioniert die Deutungshoheit nach einer Debatte? |
Nachdem wir uns begrifflich dem Konzept angenähert und dieses verstanden haben, folgt die Artikulation konkreter Lösungsmöglichkeiten am Beispiel der Flüchtlingssituation. Dies könnte folgende zwei Aspekte umfassen:
- Wie lässt sich eine faktenbasierte Debatte initiieren?
- Wie können wir den Austausch zwischen Menschen mit und ohne Fluchterfahrung erhöhen, um den Problemen auf einer emotionalen Ebene zu begegnen.
Die Tagung ist naturgemäß transdisziplinär angelegt. Wir wollen insbesondere AkademikerInnen (Philosophierende, PolitikwissenschaftlerInnen, SoziologInnen, ÖkonomInnen, RechtswissenschaftlerInnen, StädteplanerInnen), Menschen aus der Praxis (Leitende von Erstaufnahmeeinrichtung und anderen staatlichen Behörden, ehrenamtlich Engagierte, MitarbeiterInnen von Stiftungen und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren) und Studierende zusammenbringen. Wir verpflichten uns, dass mindestens ein Drittel aller Vorträge, Workshops und Podiumsdiskussionen von Frauen geleitet werden, Parität wird angestrebt.
Ferner streben wir ein konkretes Tagungsouput an. Wie dieses genau ausgestaltet wird, wollen wir mit den ReferentInnen der Öffentlichkeitsarbeit der Hertie-Stiftung bzw. START-Stiftung erarbeiten.
[1] Zitiert aus: https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2015/08/2015-08-31-eu-asylpolitik.html
[2] Vergleiche: Aktuelle Zahlen zu Asyl vom April 2017 des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge